Tribüne rechts
Ein wenig verkatert. Ohne Kopfschmerzen, aber dennoch träge und schwer. Ein Berliner Pilsener (unlecker) von der Kantine im Neuen Haus des Berliner Ensemble. Mit dem Bier offiziell in die Vorstellung zu Michel Friedmans FREMD, gespielt von Sibel Kekilli. Katastrophal schlecht! Nicht das Schauspiel. Sie war großartig. Die Inszenierung zum Speien. Für mich jedenfalls. Diese Art zu erzählen – absolut nicht mein Ding. Die permanenten Wiederholungen, Schlagwörter ohne Verben, ständig und immer wieder. Um gehört zu werden? Oder warum? Um so zu quälen, wie er einst selbst gequält wurde? Ich weiß es nicht. Erfreulicherweise war die Vorstellung nach einer Stunde vorbei, aber selbst die kam mir viel zu lang vor. Welch furchtbare Zeitverschwendung! Eine Stunde meines Lebens vergeudet. Naja, nicht ganz. Ich durfte ja wenigstens Sibel in Action erleben. Schöne und beeindruckende Frau – aber welchen intellektuellen Stuss hat man sie da vortragen lassen?!
Mein Freund E., der mich an diesem Abend begleitete, war nicht ganz so angewidert wie ich. Er sieht einen gewissen Wert darin, die Thematik des Sich-fremd-Fühlens in Deutschland – insbesondere im Hinblick auf die heutigen fremdenfeindlichen Übergriffe – immer wieder aufzugreifen. Selbst wenn es weniger gelungen ist, bleibt es dennoch wichtig. Dem kann ich nur zustimmen. Ihn störte vor allem die unerträgliche Hitze und die stickige Luft in dem Puff – auch eine Qual für mich. Meine geschwollenen Füße empfanden das als besonders ungemütlich. Sie hätten sich gerne auf der Lehne vor mir ausgeruht, genau dort, wo der Kopf einer alten Frau war.
Die Aufführung bestätigt einmal mehr, dass der deutsche Kulturbetrieb von Pseudoschuldgefühlen und intellektuellem Gehabe durchdrungen ist. Ich bin mir sicher, Bukowski hätte auf die Bühne gekotzt. Und ich gerne mit ihm.
Was den Abend gerettet hat, war der Alkohol in meiner neuen Lieblingsbar Windhorst, nahe dem Kulturhaus Dussmann – versteckt vor den neugierigen Augen des Kulturliebhabers. Cocktails vom Feinsten. Ich, der sie stets gemieden hatte, weil ich sie mit Piña Coladas und Batida de Coco zur Happy Hour in der Simon-Dach-Straße verband. Jetzt entdecke ich dieses edle, kräftige und teure Gesöff auf meine letzten Tage. Voodoo Booze hieß mein gestriger Kandidat. Leeeeeecker! Ein Getränk, und ihr torkelt garantiert – ein angenehmes Torkeln, begleitet von gelegentlichem Kichern.
Seid gegrüßt, liebe Fremden in einer fremden Welt.
Euer Victor Merseult
Auch heute: Danke für deine Zeilen!
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