Kaffeegedanken.


Beflügelt durch einen Kommentar, den ich heute morgen las, möchte ich euch eine weitere Horrorgeschichte aus dem Hause Mancini erzählen. Als ich gestern morgen aufwachte, hatte ich den dritten Tag in Folge Schmerzen, und zwar in der rechten Ohr-Wangen-Gegend, nicht stark, aber doch vorhanden und von Mal zu Mal stärker. Während ich sie die ersten beiden Tage noch geschafft hatte zu ignorieren und "wegzuhoffen", waren sie schließlich zu präsent geworden. Ich befürchtete Schlimmes: Mittelohrentzündung. Die klaren, mantraartigen Anweisungen meiner Onkologinnen des Todes im Ohr - bei einer Infektion sofort ins Krankenhaus zu gehen! - machte ich mich auf zum HNO (zuletzt sah ich Dr. H. am Montag - nach meiner Pseudo-Thrombose habe ich nun mit Wassereinlagerungen in den Beinen zu kämpfen, wie Damen im gehobenen Alter, deren Knöchel nicht mehr zu erkennen sind. Ich, der normalerweise vier Mal die Woche laufen geht und Bergspitzen erklommen hat! Ich muss schon wieder weinen! Ergebnis: Wassertabletten bei Bedarf. Am Dienstag war Bedarf. Half gut, aber Mannomann, wie oft kann man an einem Tag pinkeln gehen. Krass!).

Nun bekommt man nirgends einen Termin auf die Schnelle und vor der Rettungsstelle graut's mir schon. Versuch ich zu vermeiden, solange nicht unbedingt notwendig. Beim HNO war die Praxis brechend voll, die Schlange zur Anmeldung ging bis vor die Tür. Ich Seehofer natürlich wieder die Maske vergessen! Panik at the Disco. Die Sprechstundenhilfe selbst war so erkältet, dass ich mich zum ersten Mal mehr über die Glaswand (ein Relikt aus Coronatagen) freute als ein Kind über Weihnachtsgeschenke. Und doch bin ich froh, dass sie da war. Denn sie half mir in freundlichster Manier, einen Nottermin zu bekommen. Mit einem Trick der Notanmeldung über die Webseite von 116117. Man arbeitet sich durch die Fragen und sobald man bei Kopfschmerzen Hirntumor anklickt, wird der nächste Schritt ROT UMRANDET und man bekommt sofort einen Termin.

Weniger als dreißig Minuten später kam ich dran. Der Arzt - ein Mann mit ohne Haar und geräumigem Körperbau - untersuchte mich kurz aber grundlich. Er schaute mir in die Ohren, nahm meine Zunge mit einem Stück Papier zwischen die Finger und zog sie raus, blickte in die Untiefen meines Rachens, befühlte meine Lymphen unterhalb des Kiefers. Schließlich fragte er mich, ob ich nachts mit den Zähnen knirsche. Als ich bejahte und mir selbst auffiel, dass ich exakt drei Tage zuvor wieder begonnen hatte, meine Zahnschiene zu nutzen, hatte ich meine Antwort: keine Entzündung, nein. Meinen Kiefer halbwegs und halbseitig ausgerenkt. Klingt jetzt schmerzvoller als es war. Es ging mehr um die Panik, die mir in den Knochen saß. Er hat mir Kiefer-Physiotherapie verschrieben - ohne Witz!

Ich bedankte mich bei ihm, bei der Sprechstundenhilfe, verließ das Gebäude und weinte davor auf einer Bank. Und weinte. Und ich weine, während ich diese Zeilen schreibe, bei der Erinnerung daran. Dieser Druck, diese ständige Angst, setzt mir ganz schön zu. Das macht mir echt zu schaffen, weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich hatte allen Ernstes vor, mit gepackter Tasche hinzugehen, sehe ich mich doch schon immer mit einem Bein im Krankenhaus, mit dem anderen ... Dann rede ich mir ein, dass doch alles einigermaßen okay ist, aber das ist es natürlich nicht. Zum Glück fängt nächste Woche die Psychotherapie an. Ich kann's kaum erwarten.

Daraufhin beschloss ich, Geld auszugeben. Das ist mein neues Ding, weil ich es mein Leben lang nicht gemacht habe. Bei Eltern, die aus der Armut stammen, war Sparen dogmatisch. Mein Bruder hat frühzeitig begriffen, sich gegen diese Prägung zu wehren: RETAIL THERAPY! Ich habe das nie ganz gekonnt. Nun ist mir alles egal. Ich habe keine Zukunft mehr, ich brauche mir keine Sorgen mehr über eventuell schlechte Zeiten zu machen. Schlechter können sie nicht werden. Für mich. Für die Welt da draußen gilt ein anderes Narrativ. Ihr müsst unter den Demagogen, die sich die Demokratien unter den Nagel reißen, noch länger leiden.

Nein, ich gebe mein Geld jetzt aus. Die Flüge sind gebucht: Australien und die Filippinen - Yeehaw! Ich komme. Und gestern kaufte ich mir mein erstes selbstzusammengestelltes Messerset. Zum Kochen. Ich möchte besser kochen. Um den Blähbauch loszuwerden, bedarf es besserer Ernährung. Nun habe ich Messer von WMF und Zwillinge. Und einen Staubsauger mit HEPA-Filter für Allergiker. Und war für zehn Minuten fast glücklich - solange hält das Dopamin ungefähr an :-)

Kauft euch heute was Schönes! 

Victor, the shopper, Mancini

P.S. Falls du das liest, B.: Danke für deinen klugen Kommentar. Ich frage mich, ob wir uns vielleicht kennen. Melde dich gern mal. Ja, du hast recht – das Bild mit den Hunden war anfangs ein anderes. Ich habe es später ausgetauscht, weil die erste Version nicht ganz meinen Vorstellungen entsprach. Man hat ohne zu zahlen nur drei Versuche am Tag bei ChatGPT.

Kommentare

  1. Ich sitze auch beim Kaffee und freue mich, von dir zu lesen. Ich mag, wie du schreibst, was du schreibst, auch wenn der Anlass für diesen Blog nicht sein sollte... Arbeit und Struktur hab ich schon oft gelesen. Sämtliche Parolen von: Du musst positiv denken, kämpfen etc. spare ich mir, weil ich selbst nicht dahinter stehen kann. Es wird an dich gedacht, das sind meine Kaffeegedanken.

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    1. Natürlich liest B. das. Aber wir kennen uns nicht, da muss ich dich enttäuschen. Also ICH kenne DICH jetzt ein wenig, da ich ja deinen Blog verfolge. Du mich nicht.
      Ich bin über deinen Kommentar im Krebs Kompass auf dich gestoßen. Aber dort hast du dich nur 2x eingeloggt und würdest es nichtmal merken, wenn Dir jemand eine Message schreiben würde.....
      Kauf- und Buch-Sucht ist cool. 😂 Solang man noch ein bisschen Kohle für Essen aufhebt. Schade, dass das Dopamin schon wieder abgeflacht ist. Aber immerhin hast du es gespürt!!

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