Kunstkonsum

Ich gehe wieder unter Menschen. Am Donnerstag Pizza mit Freunden bei Spaccanapoli. Ich war auch in der AGB, habe ein Buch ausgeliehen, bin durchs Kaufhaus gestreift – trotz der Ansteckungsgefahr in überfüllten Räumen. Fahrradfahren. Sonnenlicht im Gesicht. Wie lange habe ich das nicht mehr gemacht? Autonomie und Freiheit. Und der Wind, der mir ins Gesicht weht. Herrlich! Seht aus dem Fenster – die Sonne scheint. Schnappt euch das Fahrrad und dreht eine Runde! 

Am Sonntag dann Neukölln. KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst. Wie immer allein. Das hat sich auch durch meine Krankheit nicht geändert. Schwierig, sonntags jemanden zu finden, der Zeit hat. Wie sagte schon Hans Fallada? Jeder stirbt für sich allein.

Zu den Ausstellungen

Zuerst sah ich den Film der Videokünstlerin Nina E. Schönefeld, RIDE OR DIE. Eine dystopische Erzählung über ein Journalistenpaar im Jahr 2039. Überwachungsstaat, blabla. Ich habe mir mehr als zwanzig Minuten angetan – warum, weiß ich nicht. Vielleicht, weil ich dachte, es könne nicht schlimmer werden. Doch, konnte es. Katastrophe, sag ich nur. Was für eine gequirlte Scheiße! War zumindest mein Eindruck. Keine qualifizierte Aussage.

Die Fotografien des Kameruner Fotografen Samuel Fosso fand ich dann schon spannender, weil er sich in allen Fotos konzeptuell selbstportraitiert. Ikonische Bilder historischer Figuren wie Malcolm X, Mandela, Mao oder Martin Luther King. Black Pope. Werke 1975 - 2017. Definitiv interessanter. Kann man sich anschauen – ohne Masochismus.


Die dritte Ausstellung fand im riesigen Kesselhaus statt. Eine Installation des chilenischen Künstlers Alfredo Jaar, The End of the World: Ein kleiner Glaskasten mitten im großen rot beleuchteten Raum. Die Kuration ist gelungen, die Wirkung beeindruckend. Das Exponat selbst: neun Schichten Rohstoffkrieg. Man fühlt sich selbst winzig, als wäre man in einer Dunkelkammer zur Belichtung.


Am Ende verließ ich das Museum mit gemischten Gefühlen. Einerseits war ich zufrieden. Weil ich etwas unternommen und ein wenig Kunst erlebt hatte. Andererseits fällt es mir schwer Kunst so zu konsumieren, wie ich es bisher getan habe. Ich mochte es immer, mir etwas fast schon wahllos auszusuchen, ohne viel darüber nachzudenken und es auf mich zukommen zu lassen. Das Leben hängt ja nicht wirklich davon ab, ob ich mir nun die eine oder die andere Ausstellung ansehe. Aber mit dem Timer in meiner Lunge verschiebt sich die Perspektive. Ich frage mich, ob ich dadurch wählerischer werde – oder einfach nur unerträglich. Keine Lust mehr auf Kunst, die Zeit verschwendet? Oder wird mir bald gar nichts mehr gefallen? Am Ende sitze ich griesgrämig in meiner Wohnung und finde selbst Jim Jarmush und Nick Cave scheiße? Kann ich womöglich nichts mehr genießen? 

Euer Kunstbanause 

Victor Mancini

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