Onko-Love


Neulich war ich zum ersten Mal bei der Berliner Krebsgesellschaft. Das ist ein Verein für alle wie mich. Natürlich in verschiedenen Abstufungen, also von Leuten, bei denen man die mutierten Arschlöcher frühzeitig entdeckt hat, bis zu denen in der Todeszelle. Da arbeiten dann sogenannte Psycho-Onkologinnen und Sozialarbeiterinnen, die einem dabei helfen, Bürgergeld und einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen und sich für eine Selbsthilfegruppe oder Vorträge anzumelden. 

Ich empfand Frau L als hilfsbereit, kompetent und empathisch. Eine Stunde später habe ich mich nicht mehr so hilflos und allein gefühlt. Ich weiß jetzt, dass ich nicht verhungern werde und dass das Sozialsystem mich irgendwie auffängt. In dem Gespräch ging es aber nicht nur um Praktisches, sondern auch um die Dinge, die die Medizinerinnen nicht beantworten können. 

Beispiel Sex

Medizinisch gesehen ist es nicht bedenklich, wenn ich joggen gehe. Aber kann ich noch Sex haben? Die Frage können mir nur meine unterkühlten Medizinerinnen beantworten. Ich darf keine Kinder mehr zeugen, das ist klar. Und das stört mich auch nicht besonders, ich wollte ja schon vorher keine. Aber wird der Sex zum Überlebensrisiko, sobald man sich dem Höhepunkt nähert? Für das emotionale und seelische Problem dagegen sorgt Frau L für Aufklärung. Sex sei die meistdiskutierte Frage für alle Krebspatienten, die alle beschäftigt. Aber nur wenige trauen sich darüber zu reden. Ist klar, verklemmtes Land. 

Es gibt die, die plötzlich nicht mehr wissen, ob sie noch mit ihren Partnern schlafen können, weil sie sich unwohl, sich anders fühlen. Manche trauen sich nicht, mit ihren Partnern darüber zu reden und ziehen sich immer weiter in sich zurück. 

Es gibt die, die zuvor vielschläfrig (mein Wort) waren, für die Sex mehr als alles andere war. Wie gehen die mit der neuen Situation um? Sagen sie einfach nichts davon? Ich meine, kann man mit jemandem schlafen und verheimlichen, dass man an Krebs verendet? Ich hätte dabei ein mulmiges Gefühl im Bauch. 

Und dann gibt es noch die, die sich einfach nur fragen, ob sie jemals nochmal Sex haben werden? Egal wo, mit wem, wann und wie – Hauptsache noch einmal, bevor sie ins Gras beißen! Ist das eine verwerfliche Frage, ein verwerflicher Wunsch? Immerhin gehört Sex zu unserem Alltag wie Essen, Furzen, Schlafen. 

Ich muss unweigerlich an Fight Club denken, wo sich Marla Singer und Tyler Durden in Selbsthilfegruppen treffen, um vom Elend der Anderen zu zehren bzw. Mitleid zu tanken und letztlich gemeinsam im Bett landeten. Wisst ihr noch? Vielleicht finde ich meine Onkolove oder wenigstens Onkosex in einer Onko-support-group. You never know! Wenn nicht, bleibt immer noch der Onkosport – Wassergymnastik und Tantra Yoga. 

Sex out an alle da draußen, wo auch immer ihr seid 

Vic Mancini

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